- 01.02.2023
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E-Zigarette und kardiovaskuläres Risiko
Elektronische Zigaretten oder E-Zigaretten wurden populär, da sie als «gesündere Alternative» zum Rauchen präsentiert werden. Diese Annahme wurde kürzlich von der FDA zurückgewiesen. In der Tat ist der Gebrauch solcher Geräte bei Jugendlichen sehr beliebt und wird von Rauchern häufig begleitend zur normalen Zigarette verwendet. Obwohl die kardialen Folgen von Nikotin und anderen einzelnen Komponenten des Aerosols von E-Zigaretten bekannt sind, sind die Daten über die Auswirkungen von E-Zigaretten auf das Herz-Kreislauf-System noch spärlich. Es wurden einige Studien veröffentlicht, die eine erhöhte Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Benutzern von E-Zigaretten allein oder zusammen mit herkömmlichen Zigaretten zeigen. Hypercholesterinämie, erhöhte sympathische Aktivität, endotheliale Dysfunktion, erhöhter oxidativer Stress und Entzündungen, DNA-Schäden und Makrophagenaktivierung wurden bei E-Zigaretten-Benutzern beschrieben und können das erhöhte kardiovaskuläre Risiko erklären. Dieser Artikel zielt darauf ab, die verfügbare Evidenz zum Beitrag von E-Zigaretten bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenzufassen.
von Isabella Sudano
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Quelle: Aerzteverlag medinfo AG, info@herz+gefäss, Ausgabe Nr. 6/2022. Seite 9-10.
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Die erste Generation von E-Zigaretten wurde konstruiert, um die Erfahrung des Rauchens herkömmlicher Zigaretten nachzuahmen. Die Geräte der späteren Generation enthalten leistungsstarke Zerstäuber und verwenden höhere Nikotinkonzentrationen in den Flüssigkeiten, wodurch die Abgabegeschwindigkeit und die Nikotinausbeute wie bei herkömmlichen Zigaretten erhöht werden [1]. JUUL und andere Pod-Mods verwenden Nikotinformulierungen, die aus den Nikotinsalzen in losem Tabak gewonnen werden[2]. Nikotinsalze in Pod-Mods wie JUUL reduzieren die Halsirritation durch Nikotin, so lassen sich hohe Nikotinkonzentrationen erreichen und das zufriedenstellende Erlebnis wird maximiert [3].
In den letzten Jahren hat eine grössere Anzahl von E-Zigaretten- Herstellern bei der Herstellung von E-Zigaretten und E-Flüssigkeiten synthetisches Nikotin anstelle von aus Tabak gewonnenem Nikotin eingesetzt, mit dem Ziel nicht als Tabakprodukt definiert zu werden [3]. Obwohl E-Zigaretten ursprünglich als Mittel zur Raucherentwöhnung auf den Markt gebracht wurden, werden sie von Personen, die nie geraucht haben[4,5], und von solchen, die parallel dazu herkömmliche Tabakprodukte verwenden [6], häufig gebraucht. Dieser Artikel fokussiert auf die kardiovaskulären Effekte des Konsums von E-Zigaretten bei Personen, die nie geraucht haben, bei Rauchern, die die herkömmlichen Zigaretten durch E-Zigaretten ersetzt haben und bei Rauchern, die E-Zigaretten und herkömmliche Zigaretten konsumieren. Produkte, die Tabak erhitzen, sind in diesem Artikel nicht berücksichtigt.
Kardiovaskuläre Wirkungen von elektronischen Zigaretten bei Nichtrauchern
Die Verwendung von E-Zigaretten hat in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen, mit einer rasanten Entwicklung von Produkten auf dem Markt.
Obwohl die meisten Gesundheitsbehörden E-Zigaretten nicht als Entwöhnungshilfe zugelassen haben, bewirbt die Industrie diese Produkte für Erwachsene, die versuchen mit traditionellen Zigaretten aufzuhören. Die Neuheit, und das Gefühl diese Produkte seien nicht gefährlich, haben viele Nichtraucher, insbesondere Jugendliche motiviert, solche Produkte zu probieren.
Über den Nikotingehalt und pflanzliches Glycerin, Aromen und Propylenglykol hinaus ist die Zusammensetzung der Flüssigkeiten für E-Zigaretten nicht öffentlich bekannt, was es schwierig macht, die gesundheitlichen Auswirkungen vorherzusagen, einschliesslich die Auswirkungen auf Herz und Gefässsystem.
Die Toxizität von E-Zigaretten-Aerosolen ist noch wenig bekannt, wobei einige kleine Studien auf eine mögliche kardiopulmonale Toxizität hindeuten.
Insgesamt gibt es Hinweise auf mehrere akute hämodynamische Veränderungen, einschliesslich höherer arterieller Steifigkeit, reduzierter Endothelfunktion und erhöhtem Blutdruck, sowie auch erhöhter Herzfrequenz und Aktivität der Sympathikus Nervensystem [7].
Zu den kardialen Wirkungen gehört eine reduzierte Erhöhung des myokardialen Blutflusses bei körperlicher Betätigung[8] , sowie auch mögliche direkte Kardio-Toxizität [9]. Darüber hinaus erhöht der kurzzeitige Konsum von E-Zigaretten die Werte von Biomarkern für oxidativen Stress [10]. Viele der akuten vaskulären Effekte scheinen auf die Exposition gegenüber Nikotin zurückzuführen zu sein[11]. Eine kürzlich durchgeführte Studie an jungen gesunden Erwachsenen, die ausschliesslich E-Zigaretten-Benutzer waren, fand keine lang- oder kurzfristigen Auswirkungen auf die Endothelfunktion[12]. Jedoch wurden in diesen Studien überwiegend E-Zigaretten mit einem geringeren Nikotingehalt verwendet als normalerweise angewandt wird[13].
Obwohl das Rauchen von herkömmlichem Tabak als Jugendlicher im Erwachsenenalter zu Arteriosklerose, Herzerkrankungen und Schlaganfällen führen kann, fehlen vergleichbare Langzeitdaten für die Nutzung von E-Zigaretten. Dennoch können einige Ergebnisse vorhergesagt werden, indem man die bei Dampfern und Rauchern beobachteten Wirkungen vergleicht. Insbesondere Hinweise auf eine systemische Entzündung und endotheliale Dysfunktion, sowie Veränderungen in der Gefässsteifigkeit [7, 14], Blutdruck und Herzfrequenz [14, 15], die ähnlich wie bei Rauchern sind, und auf eine mögliche Erhöhung des kardiovaskuläres Risiko bei Dampfern hinweisen[7].
Kardiovaskuläre Auswirkungen des Wechsels von Tabakzigaretten zu elektronischen Zigaretten
Die VESUVIUS-Studie [16]untersuchte die Auswirkungen des Wechsels von Tabakzigaretten zu elektronischen Zigaretten bei erwachsenen Rauchern, die > 15 Zigaretten/Tag während mindestens 2 Jahren geraucht hatten und frei von bestehender kardiovaskulärer Erkrankung, Diabetes und chronischer Nierenerkrankung waren. 1 Monat nach dem Wechsel von Tabakzigaretten zu E-Zigaretten zeigten Raucher, die auf E-Zigarette gewechselt haben, eine signifikante Verbesserung der Gefässfunktion.
Auch wenn der Wechsel auf E-Zigaretten einen initialen Vorteil bringt, zeigte eine Metaanalyse keine Reduktion von Schlaganfällen, Myokardinfarkten oder koronaren Herzkrankheiten bei Rauchern, die von herkömmlichen Zigaretten auf E-Zigaretten umstiegen[17]. Zudem wurde gezeigt, dass der akute Verbrauch von herkömmlichen Zigaretten oder E-Zigaretten zu einer ähnlichen akuten Reduktion der Endothelfunktion führt [18]. Daher scheint der akute Effekt auf die Gefässfunktion nach dem Wechsel von Tabak-Zigaretten zu E-Zigaretten sehr umstritten zu sein, und es gibt keine Rechtfertigung oder einen Beweis dafür, dass E-Zigaretten per se sicher sind und die langfristige Verwendung von E-Zigaretten nach dem Wechsel mit einer Reduktion der kardio-vaskulären Morbidität und Mortalität verbunden ist.
Kardiovaskuläre Auswirkungen des doppelten Konsums von Tabakzigaretten und E-Zigaretten
Grössere Studien haben gezeigt, dass die Raucher, die nicht mit dem Rauchen aufhören, häufig sowohl herkömmliche Zigaretten als auch E-Zigaretten weiterverwenden (Dual User) [6]. Im Vergleich zu denen, die nur herkömmliche Zigaretten rauchen, haben Doppelkonsumenten ein höheres kardiovaskuläres Risiko [19]. Raucher, die mit dem Tabakkonsum aufhörten, hatten eine signifikante Abnahme der Nikotin-Metaboliten, aller tabakspezifischen Nitrosamine, der meisten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und flüchtiger organischer Verbindungen und Metalle. Zigarettenraucher, die zu Doppelkonsumenten wurden, wiesen bei den meisten Biomarkern der Tabakexposition keine signifikanten Reduktionen auf[20].
Kardiovaskulärer Effekt passiver Exposition an das Aerosol von E-Zigaretten
E-Zigaretten geben nicht nur «harmlosen Wasserdampf» ab. Das Aerosol aus der E-Zigarette enthält Nikotin, ultrafeine Partikel und geringe Mengen an Toxinen, die bekanntermassen Krebs verursachen und das Potenzial haben, kardiovaskuläre Wirkungen hervorzurufen.
Die Exposition von Pyrolyseprodukten ist geringer als beim Passiv-Tabakrauchen, aber die Exposition gegenüber Nikotin ist ähnlich und die Partikel im Aerosol sind kleiner [21]. Studien in Autos zeigten eine Zunahme von Nikotin, Propylenglykol, flüchtigen organischen Verbindungen und nano- und mikroskaligen Partikeln und der Partikelmasse (PM2,5, μg/m3) durch Dampfen[22].
Weitere Studien sind erforderlich, um die Langzeitwirkung einer passiven Exposition gegenüber E-Zigaretten-Aerosolen zu verstehen.
Take-Home Message
- Komposition. Es ist somit sehr schwierig die gesundheitlichen Auswirkungen der E-Zigaretten vorherzusagen, einschliesslich der Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem.
- Obwohl E-Zigaretten ursprünglich als Mittel zur Raucherentwöhnung auf den Markt gebracht wurden, werden sie von den Behörden nicht als Entwöhnungshilfe anerkannt und sehr häufig werden sie von Menschen, die nie geraucht haben und von Rauchern, oder von Personen, die herkömmliche Tabakprodukte und E-Zigaretten gleichzeitig verwenden, gebraucht.
- Akut, verschlechtern E-Zigarette die Gefässfunktion in gleichem Ausmass wie Tabakzigaretten. Bei Rauchern, die auf E-Zigarette wechseln, verbessert sich die Gefässfunktion innerhalb eines Monats.
- Der Wechsel von herkömmlichen Zigaretten auf E-Zigaretten ist nicht mit einer Reduktion von Schlaganfällen, Myokardinfarkten oder koronaren Herzkrankheiten assoziiert. Ein doppelter Konsum (Tabakprodukte und E- Zigaretten) erhöht das Risiko von kardiovaskulären Ereignissen.
- Neue Studien, die den langfristigen Effekt der E-Zigaretten auf Herz und Gefässe untersuchen, werden benötigt. Aus kardiovaskulärer Sicht sind die E- Zigaretten keine sicheren Produkte und es gibt keine Daten, die zeigen, dass die langfristige Verwendung von E-Zigaretten mit einer Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität verbunden ist.
Isabella Sudano ist Fachärztin in Innerer Medizin FMH mit Spezialausbildung in Hypertonie und PhD in kardiovaskulärer Forschung an der Universität Pisa. Leiterin der Sprechstunden für Hypertonie, Dyslipidämie der Kardiologie und der Tabakentwöhnungssprechstunde des USZ.
Seit September 2019 Titular Professorin der medizinische Fakultät Universität Zürich.