- 21.02.2020
- News
Eindämmung des Tabakkonsums: Die Schweiz verliert 14 Plätze im europäischen Ranking
Die Schweiz, «die Heimat der Tabakkonzerne», stürzt in der europäischen «Tobacco Control Scale» auf den zweitletzten Platz ab (35 von 36) und verliert den Anschluss an eine zeitgemässe Tabak- und Nikotinprävention. Auf Platz 1 der Rangliste ist das Vereinigte Königreich.
Zum wiederholten Male ist die Schweiz im europäischen Vergleich der Massnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums zurückgefallen. Es ist die Folge eines Jahrzehnts des Stillstands in der schweizerischen Tabakpräventionspolitik: 2016 belegte die Schweiz noch den 21. Platz und 2013 den 18. Platz. Besonders bei der Tabakwerbungbeschränkung erhält die Schweiz wieder besonders schlechte Noten: Kein anderes Land im Rating schneidet in dieser Kategorie so schlecht ab.
Zum fünften Mal in Folge seit 2007 belegt das Vereinigte Königreich den ersten Platz und Irland einen Platz unter den Top Drei der Rangliste. Die Erfolge der beiden Länder lassen aufhorchen: Im Vereinigten Königreich hat der Anteil volljähriger Raucherinnen und Raucher seit 2011 um fünf Prozent abgenommen. Er lag 2018 noch bei 15 Prozent. In Irland sank der Anteil der Raucherinnen und Raucher zwischen 2015 und 2019 um sechs Prozent, von 23 auf 17 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz rauchen 27 Prozent der Personen, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind es sogar 32 Prozent. Ein Wert der sich seit 2007 auf hohem Niveau eingependelt hat.
Jugendschutz verhindert
Im Gegensatz zur Schweiz verbessern die meisten europäischen Staaten ihre Massnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums konsequent. 2014 hat die Europäische Union neue Standards beschlossenen, die in vielen Bereichen weit über die Massnahmen in der Schweiz hinausgehen: So ist beispielsweise ab 20. Mai 2020 in allen Staaten der Europäischen Union der Verkauf von aromatisiertem Tabak verboten. Dieser spricht besonders Jugendliche an. Das EU-weite Verbot von Stoffen welche das Inhalieren erleichtern (und damit die Nikotinabhängigkeit begünstigen) trat bereits 2016 in Kraft. In der Schweiz wehrte sich die Tabaklobby erfolgreich gegen entsprechende Vorschläge. Weiter haben in Europa seit 2017 bereits 8 Länder[1] neutrale Zigarettenpackungen (plain packaging) eingeführt oder setzen diese Massnahme zur Zeit um. Eine sehr effektive Massnahme, die von der Tabaklobby mit allen Mitteln bekämpft wird.
Europa hängt die Schweiz ab
2016 lehnten National- und Ständerat einen ersten moderaten Vorschlag für ein Tabakproduktegesetz ab. Im neuen Entwurf beharrt das Parlament in vielen Fällen auf dem Status quo oder favorisiert lediglich zaghafte Verbesserungen im Kinder- und Jugendschutz, die in den meisten Ländern Europas bereits überholt sind. Beschliesst das Parlament das Tabakproduktegesetz in der vorliegenden Fassung, verpasst die Schweiz ein weiteres Mal die Chance für einen zeitgemässen Umgang mit Nikotin und Tabak.
Die Schweiz hat die internationale Rahmenkonvention über die Tabakkontrolle (FCTC) der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2004, welche gemeinsame gesetzliche Mindeststandard definiert, bislang nicht ratifiziert. In Europa haben dies, neben der Schweiz, nur Andorra, Liechtenstein und Monaco ebenfalls noch nicht getan. Umfragen aus den letzten Jahren zeigen aber, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ein Werbeverbot für Tabakprodukte und höhere Tabaksteuern klar befürworten würde[2].
Verkaufspreis als Mittel der Prävention blockiert
Hohe Tabaksteuern sind das wirksamste Mittel, um den Konsum von Tabak- und auch Nikotinprodukten zu reduzieren, insbesondere bei jungen Menschen. Diesen Schutzmechanismus hat das Parlament auf Druck der Tabaklobby blockiert: Seit 2013 hat der Bundesrat keine Kompetenz mehr die Tabaksteuer zu erhöhen. Sämtliche schleichenden Preiserhöhungen seither kommen von Seite der Produzenten. In Europa hingegen nutzen die Staaten die Tabaksteuer als Instrument der Gesundheitspolitik. Die Hälfte aller EU-Staaten erheben inzwischen eine Tabaksteuer von 75 Prozent und mehr auf ein Päckchen Zigaretten. Das hohe schweizerische Preisniveau, im Vergleich mit der EU, verdeckt diese Tatsache. In unserm Nachbarland Frankreich wird ein Päckchen Zigaretten ab November 2020 im Schnitt 10 Euro kosten.
Bei E-Zigaretten herrscht der Wilde Westen
Die Schweiz verfügt heute über keinerlei nationale Regulierung für E-Zigaretten. Diese soll erst mit dem Tabakproduktegesetz eingeführt werden, eventuell in zwei, drei Jahren. Bis dahin gibt in der Schweiz auf Bundesebene kein gesetzliches Mindestabgabealter, keine gesetzliche Werbeeinschränkungen und keinen Schutz vor «Passivrauchen» bei E-Zigaretten. Zudem sind E-Zigaretten nicht der Tabaksteuer unterstellt und deshalb verhältnismässig günstig, was gerade bei Jugendlichen falsche Anreize setzt. Vereinzelt springen Kantone in die Bresche und wollen die kantonalen Bestimmungen für Zigaretten auch auf E-Zigaretten und andere neue Tabak- und Nikotinprodukte ausdehnen. Aktuell sind lediglich im Wallis und in Basellandschaft ein Mindestverkaufsalter für E-Zigaretten in Kraft.
Frankreich hat als erster unserer Nachbarn umfassend gehandelt und die E-Zigaretten etwa beim Mindestverkaufsalter und den Werbebestimmungen den Zigaretten gleichgesetzt. Die Schweiz darf nicht länger warten: Sie ist auch bei E-Zigaretten im Rückstand.
«The Tobacco Control Scale 2019 in Europe»
Der Verband der europäischen Krebsligen vergleicht seit fünfzehn Jahren, welche Massnahmen die Staaten in Europa zur Eindämmung des Tabakkonsums ergreifen, und listet diese in seiner «Tobacco Control Scale in Europe» auf.
Die aktuelle Tobacco Control Scale 2019 wurde am 20. Februar an der «8th European Conference on Tobacco or Health» in Berlin veröffentlicht.
Den vollständigen Bericht finden Sie unter www.tobaccocontrolscale.org zum Herunterladen.