Tabakkonsum bei LGBTQIA+ in der Schweiz
- Aus den «Schweizerische Gesundheitsbefragung»-Daten (SGB) geht hervor, dass der Anteil an LGB-Personen, die Tabak rauchen – je nach Profil bei 33% bis 50% liegt – damit ist dieser deutlich grösser als in der übrigen Bevölkerung. Diesen Daten zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass lesbische und bisexuelle Frauen rauchen, doppelt so hoch wie bei heterosexuellen Frauen.
- Auch bei bisexuellen Männern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie rauchen, höher als bei heterosexuellen Männern.
- LGBT-Personen, insbesondere schwule Männer, sind unter den Personen, die mindestens 10 Zigaretten pro Tag rauchen, deutlich stärker vertreten.
- Bei Frauen, die sexuellen Minderheiten angehören, ist die verstärkte Neigung zum Rauchen bereits vor dem Erreichen des Erwachsenenalters signifikant: Eine aktuelle Zürcher Studie zeigt, dass fast jede zweite im Alter von 17 Jahren raucht (47,5%).
- Internationale Studien bestätigen, dass junge Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen ebenfalls häufiger elektronische Zigaretten benutzen als ihre nicht-LGBT+-Gleichaltrigen.
Das Rauchen und der Nikotinkonsum unter den LGBTQIA+ Bevölkerungsgruppen (Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, queer, inter- oder asexuell und Teil anderer sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten sind) geben Anlass zu grosser Sorge in Bezug auf ihre Gesundheit. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass diese Bevölkerungsgruppen höhere Raucherprävalenzen aufweisen als ihre heterosexuellen und cis-geschlechtlichen Mitmenschen. Ein Bericht des Bundesrats aus dem Jahr 2022 unterstreicht die Notwendigkeit, beim Thema Rauchen, sowie allgemein beim Thema Gesundheit, bei dieser Bevölkerungsgruppe aktiv zu werden. (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2022[1]).
Tabakkonsum in der LGBTQIA+-Bevölkerung in der Schweiz
Zahlreiche internationale epidemiologische Studien zeigen, dass LGBTQIA+-Personen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung häufiger rauchen. Auch in der Schweiz zeigen die Ergebnisse mehrerer Studien, dass LGB-Personen (die Untergruppen, auf welche sich die Forschung in unserem Land bisher konzentriert hat) einen höheren Tabakkonsum aufweisen als die heterosexuelle Bevölkerung. Eine ausführliche Untersuchung des Konsums von Tabak und anderen psychoaktiven Substanzen wurde insbesondere von der Hochschule Luzern (HSLU) im Vorfeld des oben erwähnten Berichts des Bundesrates präsentiert (Krüger et al., 2022[2]).
Allgemeine Bevölkerungsumfragen
In den spezifischen Analysen der Daten aus der Schweizerischen Gesundheitsbefragung aus den Jahren 2012 und 2017 (Krüger et al., 2022[3]), die von der HSLU durchgeführten wurden, zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen LGB-Personen und dem Rest der Bevölkerung in Bezug auf das Rauchverhalten, zumindest was den gelegentlichen Konsum und die Höhe des Konsums betrifft. Bei LGB-Personen variierte die Neigung zum Rauchen je nach Geschlecht und spezifischer sexueller Orientierung zwischen 36% und 50%. (Abbildung 1). Bereinigte statistische Analysen bestätigten den engen Zusammenhang zwischen dem Sexualverhalten bzw. der sexuellen Identität und dem Rauchen, sowohl in Bezug auf die Zahl der Raucher:innen als auch auf das Ausmass des Konsums. Im Vergleich zu heterosexuellen Frauen war die Wahrscheinlichkeit, dass lesbische und bisexuelle Frauen zumindest gelegentlich rauchten, mehr als doppelt so hoch. Bei bisexuellen Männern war diese eineinhalbmal so hoch wie bei heterosexuellen Männern. Dieselben Analysen ergaben auch, dass schwule Männer unter den Personen deutlich überrepräsentiert sind, die mindestens 10 Zigaretten pro Tag rauchen. Diese Untergruppe gab ebenfalls an, häufiger als die übrige Bevölkerung, in den letzten 12 Monaten vor der Erhebung versucht zu haben, mit dem Rauchen aufzuhören. Bei lesbischen Frauen hingegen war die Zahl derer, die in diesem Zeitraum versucht hatten, mit dem Rauchen aufzuhören, geringer als bei heterosexuellen Personen.
Abbildung 1 - Relative Zahl der Raucher (%; Gelegenheitsraucher), nach Sexualverhalten oder -identität und Geschlecht (gemäss Daten), ESS 2012-2017 (Krüger et al., 2022[4]).
Auch weitere Datenquellen zeigen Probleme in Bezug auf Rauchen in der LGBTQIA+-Bevölkerung auf.
Die Daten der „LGBT Health“-Erhebung (eine nationale Erhebung zur Gesundheit von LGBT-Personen und ihrem Zugang zur Gesundheitsversorgung, die 2021 online durchgeführt wurde; Pfister et al., 2023[5]), wurden von der HSLU detailliert ausgewertet. Sie bestätigen die Beobachtungen, die auch im Rahmen von Analysen der kumulativen Daten des ESS gemacht wurden (Krüger et al., 2022[6]). Demnach lag der Raucher:innen-Anteil unter den Befragten im Jahr 2021 bei 31,7%. Fast zwei Drittel der Raucher (63%) konsumierten täglich Tabak. Von allen Befragten rauchten cis-lesbische Frauen am seltensten (28,5%); bei allen anderen befragten Gruppen konsumierte etwa ein Drittel der Personen Tabak (30,3% bis 34,7%). Die höchste Quote wurde bei trans/nicht-binären Menschen verzeichnet.
Andere, regionale und/oder ältere Studien (z.B. Wang et al., 2007[7], auf welche hier nicht näher eingegangen wird) haben in den letzten Jahrzehnten ebenfalls gezeigt, dass schwule und bisexuelle Männer mehr Tabak und andere Substanzen konsumieren als heterosexuelle Männer. Trends, die von verschiedenen internationalen Studien weitgehend bestätigt werden (siehe z.B. Marshal et al., 2008[8], oder Berger und Mooney-Somers, 2017[9]).
Ferner ist zu erwähnen, dass eine aktuelle Zürcher Studie (Vock et al., 2023[10]) die hohe Neigung junger Menschen aus sexuellen Minderheiten in der Schweiz zum Konsum psychoaktiver Substanzen ebenfalls bestätigt. Bei jungen Frauen im Alter von 17-20 Jahren aus sexuellen Minderheiten ist die bereinigte Quote mehr als doppelt so hoch ist wie bei ihren heterosexuellen Altersgenossinnen. Sie scheinen mit einer Quote von 45 bis 50% besonders stark vom Rauchen betroffen zu sein.
Die derzeit verfügbaren Daten zu LGBTQIA+-Personen in der Schweiz beschränken sich im Allgemeinen auf die Frage des Tabakkonsums in Form von Zigaretten. Internationale Studien deuten aber darauf hin, dass der Gesamtkonsum durch die erhebliche Verbreitung von E-Zigaretten und anderen elektronischen Nikotinabgabesystemen steigen wird (z.B. Truth Initiative, 2022[11]).
Eine grosse amerikanische Langzeitstudie mit jungen Menschen im Alter von 15 bis 21 Jahren, die Truth Longitudinal Cohort Study[12], hat dieses Phänomen dokumentiert (Truth Initiative, 2024[13]). In dieser Gruppe war im Jahr 2021 die Nikotinprävalenz unter LGBT+-Jugendlichen höher ist, als unter Gleichaltrigen, die nicht zu den LGBT+ gehören; sowohl in Bezug auf das Experimentieren (Lebenszeitkonsum) als auch auf den aktuellen Konsum. Anscheinend spielen dabei die sexuelle Orientierung als auch die Geschlechtsidentität eine Rolle. So gaben bisexuelle Jugendliche im Vergleich zu ihren heterosexuellen Altersgenoss:innen häufiger an, jemals E-Zigaretten benutzt zu haben (57% gegenüber 39%) und sie derzeit zu benutzen (22% gegenüber 13%). Lesbische und schwule Jugendliche gaben ebenfalls häufiger an, E-Zigaretten zu benutzen (48%) als ihre heterosexuellen Altersgenoss:innen (39%).
Verknüpfte Risikofaktoren
Die internationale Literatur weist auf eine Vielzahl spezifischer Risikofaktoren hin, die zu einer erhöhten Neigung zum Rauchen und zum Nikotinkonsum in LGBTQIA+-Gemeinschaften beitragen. Diese reichen von der Betroffenheit sozialer Stigmatisierung, Diskriminierung und familiärer Ablehnung, die zu starkem Stress führen können (Rauchen wird häufig als Mechanismus zur Bewältigung von Stress eingesetzt), über psychische (Mit-)Erkrankungen (wie Angst, Depression und posttraumatische Belastungsstörung), welche die Tendenz zum Rauchen erhöhen, bis hin zu Umweltfaktoren wie dem häufigen Aufsuchen von Orten, an denen das Rauchen akzeptiert und weit verbreitet ist. Aber auch die beträchtlichen Anstrengungen der Tabakindustrie, LGBTQIA+-Gemeinschaften mit spezifischen Marketingkampagnen anzusprechen spielen hierbei eine Rolle.
Hinweis: Die unterschiedlichen Bezeichnungen wie LGBTQIA+, LGB, LGBT+ oder ähnliche Begriffe, die in diesem Text verwendet werden, ergeben sich aus dem Umstand, dass die zugrunde liegenden Studien zu verschiedenen Zeitpunkten durchgeführt wurden und unterschiedliche Schwerpunkte in der Untersuchung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten gesetzt haben bzw. teils älteren Datums sind.
AT Schweiz, Oktober 2024
[5] Pfister, A., Krüger, P., & Eder, M. (2023). Health inequalities of LGBT persons in Switzerland – Results from the first national LGBT health study. Eur J Public Health. 33(Suppl 2):ckad160.754.
[7] Wang, J., Häusermann, M., Vounatsou, P., Aggleton, P., & Weiss, M. G. (2007). Health status, behavior, and care utilization in the Geneva Gay Men’s; Health Survey. Preventive Medicine, 44(1), 70–75.
[8] Marshal, M. P., Friedman, M. S., Stall, R. [Ron], King, K. M., Miles, J., Gold, M. A., Morse, J. Q. (2008). Sexual orientation and adolescent substance use: A meta-analysis and methodological review. Addiction, 103(4), 546–556.
[9] Berger, I., & Mooney-Somers, J. (2017). Smoking Cessation Programs for Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, and Intersex People: A Content-Based Systematic Review. Nicotine & Tobacco Research, 19(12), 1408–1417.
[10] Vock, Florian; Johnson-Ferguson, Lydia; Bechtiger, Laura; Stulz, Niklaus; Felten, Joh von; Eisner, Manuel et al. (2023): Substance use in sexual minority youth: prevalence in an urban cohort. In Child and adolescent psychiatry and mental health 17:109.
[11] Truth Initiative (2022): Rising vaping rates among lesbian, gay, and bisexual young people outpace peers. Edited by Truth Initiative. Online verfügbar unter https://truthinitiative.org/research-resources/targeted-communities/rising-vaping-rates-among-lesbian-gay-and-bisexual-young; aufgerufen am 11.07.2024.
[12] https://truthinitiative.org/what-we-do/research-evaluation; aufgerufen am 13.08.2024.
[13] Truth Initiative (2024): LGBT+ young people have higher smoking and vaping prevalence than non-LGBT+ peers. Online verfügbar unter https://truthinitiative.org/sites/default/files/media/files/2024/07/LGBT%2B%20Tobacco%20Use%20Report.pdf; aufgerufen am 11.07.2024.