Entwicklung der letzten dreissig Jahre
- Der Tabakkonsum nahm in den 1990er Jahren deutlich zu und ging in den Nullerjahren zurück. Danach stabilisierte er sich auf einem als hoch angesehenen Niveau, das sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert hat.
Die Entwicklung des Rauchens in der Schweiz lässt sich anhand verschiedener Studien nachvollziehen. Allerdings wird gegenwärtig nur eine einzige Erhebung für die erwachsene Bevölkerung durchgeführt: die Schweizerische Gesundheitsbefragung. Die 1992 eingeführte SGB hat den Nachteil, dass sie nur alle fünf Jahre wiederholt wird. Eine lückenlose Abbildung der Entwicklung des Rauchens in unserem Land ist daher nicht möglich. Eine weitere Einschränkung der grossen Zeitspanne zwischen den SGB-Erhebungen besteht in der Schwierigkeit zu beurteilen, ob es sich bei den Abweichungen zwischen den Messzeitpunkten um echte Trends oder um vorübergehende Schwankungen handelt, die zum Beispiel durch den spezifischen Kontext eines bestimmten Erhebungsjahrs beeinflusst werden. Daher sind die Interpretation der Entwicklungstendenzen des Rauchens ausserhalb der Jahre 2001 bis 2016, in denen die Erhebungen des Tabakmonitorings Schweiz (TMS)[1] und des Suchtmonitorings Schweiz[2] liefen, mit Vorsicht zu geniessen.
Trends seit den 1990er-Jahren
Die Schweizerische Gesundheitsbefragung verfolgt seit 1992 die Entwicklung des Tabakkonsums in der Bevölkerung über 15 Jahren. Im Zeitraum 1992 - 1997 war ein Anstieg der Prävalenz des Rauchens zu verzeichnen, auf den zwischen 1997 und 2012 ein Rückgang folgte (Abbildung A1A-4). Seit 2012 ist der Anteil der Raucherinnen und Raucher stabil geblieben (bei +/- 27 %). Diese allgemeinen Trends sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu beobachten. Ausserdem ist festzustellen, dass der Unterschied in der Prävalenz zwischen Männern und Frauen seit 1992 deutlich geringer geworden ist.
Abbildung A1A-4 – Entwicklung der Prävalenz des Rauchens (%) zwischen 1992 und 2017, in der Gesamtbevölkerung, nach Geschlecht und nach Sprachregion, SGB 1992-2017 (Quellen BFS, 2018)[3]
Unterschiedliche Entwicklungstendenzen sind in diesem Zeitraum aber durchaus zu beobachten, zum Beispiel zwischen den Sprachregionen des Landes (Abbildung A1A-4) und in den verschiedenen Altersgruppen. In der italienischen Schweiz zum Beispiel, wo die Entwicklung bis 2007 ähnlich verlief wie in den anderen Sprachregionen des Landes, scheint der Anteil der Raucherinnen und Raucher seit 2007 zuzunehmen (während die Prävalenz des Rauchens in der Deutschschweiz in diesem Zeitraum zunächst zurückging und dann stagnierte und in der französischen Schweiz nach einem leichten Anstieg im Jahr 2012 im Jahr 2017 wieder ein Niveau erreichte, das mit demjenigen von 2007 vergleichbar ist).
Abbildung A1A-4 – Entwicklung der Prävalenz des Rauchens (%) zwischen 1992 und 2017, nach Sprachregion, SGB 1992-2017 (Quellen BFS, 2018)[3]
Entwicklung seit den Nullerjahren
Im Zeitraum von 2001 bis 2016 haben sich zwei jährliche Erhebungen zum Rauchverhalten abgelöst: das Tabakmonitoring Schweiz (TMS) von 2001 bis 2010, und die Erhebung Continuous Rolling Survey of Addictive Behaviours and Related Risks (CoRolAR) des Suchtmonitorings Schweiz von 2011 bis 2016.
Da die Erhebungsmethoden von TMS und CoRolAR in einigen Punkten ähnlich sind, ist ein Vergleich der Prävalenz aus diesen Studien möglich, sollte aber mit Vorsicht erfolgen (insbesondere, weil die Referenzbevölkerung leicht unterschiedlich war: TMS betraf Personen im Alter von 14 bis 65 Jahren, während CoRolAR Personen ab 15 Jahren erfasste).
Unter Berücksichtigung dieser Differenz, deuten die Erhebungen auf einen kontinuierlichen und gleichmässigen Rückgang der Prävalenz des Tabakkonsums zwischen 2001 und 2008 hin (von 33 % auf 27 % Rauchende), gefolgt von einer langen Phase der Stagnation mit leichten Schwankungen (Abbildung A1A-4; der Sprung zwischen 2010 und 2011 ist teilweise auf eine Änderung der Erhebungsmethode zurückzuführen (Kuendig et al., 2012[5])).
Abbildung A1A-6 – Entwicklung der Prävalenz des Tabakkonsums (%) basierend auf den Daten des Tabakmonitorings Schweiz 2001-2010 und der CoRolAR-Erhebung 2011-2016 (Quellen Keller et al., 2011[6] und Gmel et al., 2017[7])
Der Rückgang, der im Zeitraum 2001 - 2008 im Rahmen des TMS beobachtet wird, beruht offenbar hauptsächlich auf einer Abnahme des sogenannten täglichen Konsums (Rückgang von 24 % auf 19 % in der Gesamtbevölkerung), während der Anteil der Gelegenheitsraucherinnen und -raucher im gesamten TMS-Zeitraum relativ stabil blieb (2001 und 2010; Keller et al., 2011[8]). Die rückläufige Entwicklung der Prävalenz des Tabakkonsums in der Schweiz bis 2008 ist in allen Sprachregionen des Landes zu beobachten (allerdings ist der Rückgang in der italienischen Schweiz etwas weniger stark als in den anderen Sprachregionen).
Querschnittsanalysen auf der Grundlage der verfügbaren Datenquellen
Mit dem Ziel, die langfristigen Trends des Tabak- und Alkoholkonsums in der Schweiz zu analysieren, wurden in einer 2018 veröffentlichten Analyse (Gmel et al. 2018[9]) verschiedene Datenquellen herangezogen: die vierjährliche Erhebung Health Behaviour in School-aged Children (HBSC), die seit 1986 bei 11- bis 15-jährigen Schülerinnen und Schülern durchgeführt wird, die SGB und die CoRolAR-Erhebung des Suchtmonitorings Schweiz.
Da die Auswertungen und Interpretationen von Daten aus unterschiedlichen Umfragen verschiedene Vor- und Nachteile haben, stützen sich die Autoren bei ihren Analysen nicht auf die "exakten" Prävalenzraten, sondern auf deren Entwicklung (Anstieg oder Rückgang). Die Erkenntnisse, welche durch die Zusammenführung der vorhandenen Datenquellen gewonnen wurden, verstärken letztlich die Befunde der einzelnen Erhebungen: In den 1990er Jahren scheint der Tabakkonsum in der Schweizer Bevölkerung leicht zugenommen zu haben; danach scheint er zurückgegangen zu sein und sich in der zweiten Hälfte der Nullerjahre mehr oder weniger auf dem aktuellen Niveau eingependelt zu haben.
Eine der Schlussfolgerungen dieses Berichts ist, dass die Entwicklung des Tabakkonsums in der Schweiz im Zeitverlauf (zwischen 1992 und 2016) oder in Abhängigkeit vom Alter (zwischen 15 und 89 Jahren) auf der Grundlage der berücksichtigten Studien weitgehend das widerspiegelt, was in der internationalen Literatur als "smoking epidemic"[10] [11] (Tabakepidemie) bezeichnet wird. Diesem Konzept zufolge werden bei Männern im Laufe der Zeit höhere Prävalenzspitzen beobachtet als bei Frauen, weil das Rauchen bei Männern früher begonnen und sich schneller verbreitet hat. Folglich träte auch der Prävalenzrückgang des Rauchens nach Erreichen des Spitzenwerts bei Männern früher ein als bei Frauen. Laut dieser Theorie würden die Frauen 10 bis 30 Jahre später in die Fussstapfen der Männer treten, sowohl was den Anstieg des Tabakkonsums als auch was die anschliessende Stagnation und den Rückgang betrifft.
[1] http://www.tabakmonitoring.ch/index.html; zuletzt besucht am 9.12.2021.
[2] https://www.suchtmonitoring.ch/de/page/8.html; zuletzt besucht am 9.12.2021.
[3] https://www.bfs.admin.ch/bfs/fr/home/statistiques/sante/determinants/tabac.assetdetail.6466022.html; zuletzt besucht am 9.12.2021.
[4] https://www.bfs.admin.ch/bfs/fr/home/statistiques/sante/determinants/tabac.assetdetail.6466022.html; accédé le 9.12.2021.
[5] Kuendig, Hervé; Georges, Aurélien; Notari, Luca (2012): Comparaison de résultats du Monitorage sur le Tabac Suisse 2010 et de l’enquête CoRolAR 2011. Sucht Schweiz. Lausanne. Download.
[6] Keller, Roger; Radtke, Theda; Krebs, Hans; Hornung, Rainer (2011): Der Tabakkonsum der Schweizer Wohnbevölkerung in den Jahren 2001 bis 2010. Tabakmonitoring - Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum. Download.
[7] Gmel, Gerhard; Kuendig, Hervé; Notari, Luca; Gmel, Christiane (2017): Monitorage suisse des addictions Consommation d’alcool, de tabac et de drogues illégales en Suisse en 2016. Sucht Schweiz. Lausanne. Download.
[8] Keller, Roger; Radtke, Theda; Krebs, Hans; Hornung, Rainer (2011): Der Tabakkonsum der Schweizer Wohnbevölkerung in den Jahren 2001 bis 2010. Tabakmonitoring - Schweizerische Umfrage zum Tabakkonsum. Download.
[9] Gmel, Gerhard; Notari, Luca; Gmel, Christiane. (2018): Rauchen und Alkoholkonsum in der Schweiz: Trends übber 25 Jahre, Kohorteneffekte und aktuelle Details in Ein-Jahres-Altersschritten – eine Analyse verschiedener Surveys. Sucht Schweiz. Lausanne. Download.
[10] Lopez, Alan D; Collishaw, Neil E; Piha Tapani. A descriptive model of the cigarette epidemic in developed countries. Tob Control. 1994;3:242–7.
[11] Thun, Michael; Peto, Richard; Boreham, Jillian; Lopez, Alan D. Stages of the cigarette epidemic on entering its second century. Tob Control. 2012;21:96–101.
AT Schweiz, Juli 2022