Die elektronische Zigarette, die nicht «Puff» machen will
E-Zigaretten, insbesondere Einwegprodukte, und erhitzte Tabakprodukte stellen eine neue Quelle der Umweltverschmutzung dar. Da noch keine zufriedenstellende Lösung für das Recycling dieser Produkte gefunden wurde, landen die meisten in der Umwelt.
Sie sehen aus wie leuchtende Textmarker. Oder wie ein USB-Stick. Die neue Generation der E-Zigaretten, oft auch «Puff Bar» genannt, hat mit den ersten Geräten und ihren schweren Tanks für die nikotinhaltige Flüssigkeit, die vor fast 20 Jahren auf den Markt kamen, nicht mehr viel zu tun.
Die elektronische Zigarette wurde 2003 von dem chinesischen Apotheker Hon Lik entwickelt.[1] Es dauerte jedoch bis 2008, bevor die ersten Geräte auf dem westlichen Markt erhältlich waren. Damals wurden sie hauptsächlich von kleinen, unabhängigen Firmen hergestellt. Sie hatten nachfüllbare Nikotinbehälter und konnten über ein USB-Kabel aufgeladen werden.
Nach anfänglicher Skepsis erkannten die Tabakkonzerne schnell das kommerzielle Potenzial dieser neuen Form des Nikotinkonsums. Im Jahr 2012 kaufte Lorillard das amerikanische Unternehmen blu eCigs für 135 Millionen US-Dollar.[2] Altria wiederum übernahm 2014 Green Smoke für 110 Millionen US-Dollar und brachte unter dem Namen MarkTen eine eigene E-Zigarette auf den Markt.[3] Kurz darauf stiegen auch die anderen Tabakkonzerne in dieses Segment ein: British American Tobacco mit Vuse, Japan Tobacco mit Logic und Imperial Brands mit Blu.[4]
Philip Morris International hielt sich lange zurück und betrat den Markt erst 2018 mit IQOS Mesh, die 2020 zu Veev wurde. Das Unternehmen mit Sitz in Lausanne hatte sich entschieden, stärker auf Produkte mit erhitztem Tabak zu setzen und brachte 2014 IQOS auf den Markt.[5]
Ab 2015 gewann ein neuer Konkurrent namens Juul schnell Marktanteile. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern ist diese E-Zigarette mit einer Einwegkartusche ausgestattet, die Nikotinsalze enthält. Sobald die Flüssigkeit aufgebraucht ist, muss die Patrone entsorgt und durch eine neue ersetzt werden. Juul wurde 2018 auf dem Schweizer und europäischen Markt eingeführt.[6]
Kurz darauf schickte sich ein Newcomer an, das Ökosystem erneut aufzumischen. Die Puff Bar, eine Erfindung des kalifornischen Start-ups Cool Clouds Distribution, die 2019 in den USA auf den Markt kam und später an das chinesische Unternehmen DS Technology Licensing weiterverkauft wurde, ist ein Einwegprodukt.[7] Da sie weder nachfüllbar noch aufladbar ist, muss sie nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden.
Puff Bar kam 2020 in der Schweiz auf den Markt und entwickelte sich rasant. Heute dominiert sie den Markt neben zahlreichen Nachahmern wie Elf Bar, Geek Bar oder Happy Puff.[8] Diese Einweg-E-Zigaretten sind in 139 Geschmacksrichtungen erhältlich, darunter «Mango», «Lychee Ice» oder «Whisky». Die meisten enthalten synthetisches Nikotin und die Grösse des E-Liquid-Behälters reicht in der Regel für 600 Züge, einige Produkte können aber auch 10'000 oder sogar 16'000 Züge erzeugen. Zwar gibt es gesetzliche Normen, die das Fassungsvermögen dieser Behälter auf 2 ml – entsprechend 600 Zügen – beschränken, doch werden diese Normen kaum eingehalten und die meisten Produkte auf dem Schweizer Markt überschreiten diese Grenzwerte und sind somit illegal auf dem Markt.[9] Einweg-E-Zigaretten kosten in der Schweiz zwischen 5 und 20 Franken.[10]
Auch hier sind die Tabakkonzerne nicht untätig geblieben. British American Tobacco brachte 2022 eine Einwegversion seiner E-Zigarette Vuse Go auf den Markt, während Philip Morris International ein ähnliches Produkt namens Veeba lancierte.[11] Schätzungen zufolge stammen jedoch 95 % der weltweiten Produktion von Einwegzigaretten aus China, vor allem aus der Stadt Shenzhen. Diese chinesischen Produkte sind äusserst konkurrenzfähig, da sie zu sehr niedrigen Kosten und ohne Qualitätsstandards hergestellt werden.[12]
Es gibt nur wenige Daten darüber, wie viele dieser E-Zigaretten – ob Einweg oder nicht – in der Natur landen. Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigt jedoch, dass 51 % der jugendlichen Juul-Konsumentinnen und Konsumenten in den USA ihre E-Zigaretten in den Mülleimer werfen, 17 % entsorgen sie in Recycling-Container, die dafür aber nicht ausgestattet sind, und 10 % werfen sie einfach auf den Boden.[13] Eine weitere Untersuchung hat ergeben, dass das in den Batterien von E-Zigaretten enthaltene Lithium, welches innerhalb eines Jahres im Vereinigten Königreich weggeworfen wird, ausreichen würde, um 1’200 Elektrofahrzeuge mit Batterien auszustatten.[14]
E-Zigaretten sind extrem umweltschädlich. «Sie enthalten zahlreiche giftige und biologisch nicht abbaubare Substanzen: Hartplastik, das zu den am langsamsten abbaubaren Materialien gehört, Rückstände der Nikotinflüssigkeit, deren Auswirkungen auf die Umwelt noch weitgehend unbekannt sind, und Batterien, die schädliche Schwermetalle wie Lithium, Kobalt und Nickel enthalten», erklärt Debbie Sy, zuständig für strategische Angelegenheiten beim Global Center for Good Governance in Tobacco Control.
Einweg-E-Zigaretten verstärken diese Auswirkungen um ein Vielfaches. «Sie werden nach einmaligem Gebrauch weggeworfen und verursachen einen Berg vermeidbaren Abfalls», sagt Thomas Novotny, Gesundheits- und Umweltexperte an der Universität San Diego. Damit sind sie noch schädlicher als andere Einwegplastikprodukte wie Trinkhalme, Tüten oder Einwegbesteck, die inzwischen in vielen Ländern und auch in der Europäischen Union verboten sind.
Kaum besser sieht es bei den erhitzten Tabakerzeugnissen aus. IQOS ist ein Gerät aus Aluminium und Kunststoff, das eine Lithium-Ionen-Batterie enthält. Die Rippe, die den Tabak erhitzt, besteht aus Platin und Gold und ist mit einer Keramikschicht überzogen. Auch hier handelt es sich um biologisch nicht abbaubare Materialien.[15]
Sowohl bei E-Zigaretten als auch bei erhitzten Tabakprodukten ist die Brandgefahr extrem hoch. Gelangen Lithium-Ionen-Batterien in den Hausmüll oder Recyclingcontainer, besteht die Gefahr, dass sie zerbrechen oder zerquetscht werden und dadurch der Separator zwischen Kathode und Elektrode beschädigt wird, was zu einem Kurzschluss und einem Brand oder einer Explosion führen kann.[16]
In den USA gibt es eine Reihe von Deponien, die solche Erfahrungen gemacht haben, wie zum Beispiel die Deponie in Brown County, Wisconsin.[17] 2017 explodierte im Vereinigten Königreich in Northamptonshire ein Recycling-Lastwagen wegen einer Elektrobatterie.[18] Auch die Schweiz ist betroffen. Allein in zwei Monaten im Sommer 2023 kam es in zehn Abfallsortieranlagen zu Bränden, die durch Lithium-Ionen-Batterien verursacht wurden, darunter in Genf, Gland und Cressier.[19]
Manchmal ereignen sich Unfälle in der Luft. Im Mai 2023 geriet auf einem Flug von Genf nach Amsterdam eine E-Zigarette in Brand. Mehrere Flugpassagiere wurden leicht verletzt. Das Flugzeug musste umkehren.[20]
Trotz dieser Gefahren gibt es derzeit keine Lösung für die umweltgerechte Entsorgung von E-Zigaretten. «Es ist sehr kompliziert, sie zu recyceln, weil sie aus vielen verschiedenen Komponenten bestehen – Plastik, Batterien, Nikotinflüssigkeit –, die schwer voneinander zu trennen sind», sagt Chris Bostic, Policy Director bei der Organisation Action on Smoking and Health (ASH).
In den USA ist es verboten, E-Zigaretten in Kunststoff-Recyclingbehältern zu entsorgen, da sie Lithium-Ionen-Akkus und Rückstände von nikotinhaltiger Flüssigkeit enthalten, die von der Umweltschutzbehörde als Giftmüll eingestuft werden.[21] Mangels Alternativen landen die meisten E-Zigaretten daher im Müll oder in der Natur.
In einigen Ländern sehen sich die Konsumentinnen und Konsumenten mit widersprüchlichen Botschaften konfrontiert. Im Vereinigten Königreich sind Händler, die E-Zigaretten im Wert von mehr als 100'000 Pfund pro Jahr verkaufen, verpflichtet, diese zurückzunehmen und zu einem Recyclingzentrum für elektronische Produkte zu bringen. Aber nur wenige scheinen davon zu wissen und geben sich oft damit zufrieden, sie in die Recyclingtonnen für Batterien zu werfen.[22]
Im Juli 2023 führte die Stiftung SENS eRecycling in der Schweiz ein Recyclingsystem für Einweg-E-Zigaretten ein, an dem auch Philip Morris International beteiligt ist. Die Stiftung nimmt ausserdem wiederverwendbare E-Zigaretten und erhitzte Tabakprodukte zurück.
«Die Konsumentinnen und Konsumenten können ihre gebrauchten Produkte in die Verkaufsstellen zurückbringen. Dort werden sie in von uns bereitgestellte Säcke gepackt, die von der Post abgeholt werden, ähnlich wie die Nespressokapseln», erklärt Sabrina Bjöörn, die diese Initiative leitet. Anschliessend werden die E-Zigaretten zu einem Recyclingzentrum für elektronische Produkte gebracht.
Die Kosten tragen die Hersteller von E-Zigaretten über eine Recyclinggebühr, die auf den Verkaufspreis der E-Zigaretten aufgeschlagen wird. Bjöörn weist jedoch darauf hin, dass es derzeit nicht möglich ist, das gesamte Gerät zu recyceln. «Die Batterie und die elektronischen Komponenten werden gesammelt, aber der Kunststoff wird verbrannt», sagt sie. Ausserdem bleibt die Lösung freiwillig. «Wir schätzen, dass heute etwa 5 % der Einweg-E-Zigaretten recycelt werden», sagt sie.
Aufgrund der Schwierigkeiten, diese Geräte umweltgerecht zu entsorgen, haben einige Regierungen begonnen, sie zu verbieten. In 34 Ländern ist der Verkauf von E-Zigaretten verboten, darunter Mexiko, Brasilien, Norwegen, Indien, die Türkei und Thailand. Auch das Vereinigte Königreich, wo jede Woche 1.3 Millionen Einweg-E-Zigaretten weggeworfen werden, hat ein Verbot für Anfang 2024 angekündigt. Belgien ist das erste EU-Land, das sich kürzlich zu diesem Schritt entschlossen hat.[23]
In 87 weiteren unterliegt der Verkauf von E-Zigaretten Beschränkungen, wie zum Beispiel dem Verbot des Online-Verkaufs oder dem Verbot bestimmter Geschmacksrichtungen.[24] In Australien sind E-Zigaretten nur auf Rezept in Apotheken im Rahmen einer Entwöhnungsbehandlung erhältlich.
Die Schweiz hinkt dieser Entwicklung hinterher. Einzelne Kantone haben den Verkauf von E-Zigaretten an Minderjährige verboten, auf Bundesebene wird diese Massnahme im Rahmen des neuen Tabakproduktegesetzes 2024 eingeführt. Ein Verbot für alle Altersgruppen ist derzeit jedoch nicht geplant.[25]
[1] https://www.britannica.com/topic/e-cigarette
[2] https://www.bbc.co.uk/news/magazine-20583902
[5] Ibidem
[7] https://tobaccoreporter.com/2021/11/01/puff-bar-ceos-profiled/
[10] Ibidem
[11] Ibidem
[12] https://apnews.com/article/vaping-elf-bar-ecigarettes-china-teens-77033584983ad47fc5795baa46b4705e
[15] https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/354579/9789240051287-eng.pdf?sequence=1
[18] https://www.letsrecycle.com/news/battery-causes-explosion-waste-truck/
[21] https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(22)00187-4/fulltext
[24] https://www.dailymail.co.uk/health/article-12886003/vape-divide-cigarettes-ban-countries-policy.html