Einleitung

Tabak schadet den UNO-Nachhaltigkeitszielen

Der Tabak gefährdet die Erreichung der 17 UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Dabei hatten die Tabakhersteller sie mit Begeisterung aufgenommen in der Hoffnung, sie unbesehen beeinflussen zu können.

Heute sind die verheerenden Gesundheitsfolgen des Tabaks hinreichend bekannt. Aber sein Einfluss erstreckt sich auf viele weitere Gesellschaftsbereiche. Konkret gefährdet er die Erreichung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs), welche die UNO-Mitgliedstaaten 2015 verabschiedet haben und die bis 2030 umgesetzt werden sollen. 

Adriana Blanco Marquizo ist leitende Sekretärin des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC). Sie sagt dazu: «Der Tabak wirkt sich auf alle drei Pfeiler der SDGs negativ aus – auf die Wirtschaft, das Soziale und die Umwelt.» Als Beispiel nennt sie das Wirtschaftswachstum: «Wegen des Tabaks entstehen jedes Jahr Gesundheitskosten und Produktionsverluste von über 1 Billion Dollar, weil Arbeitskräfte schon jung erkranken oder sterben und andere zeitweise die Arbeit aufgeben, um sich um kranke Angehörige zu kümmern.»

Auch die Umwelt ist Opfer des Tabakkonsums: «Die tabakhaltigen Produkte schaden während ihres gesamten Lebenszyklus der Natur: Sie tragen zur Wüstenbildung, zur Gewässerbelastung, zur Bodenverarmung und zum Verlust von Kulturland bei, weil statt Lebensmitteln Tabak angebaut wird», zählt Adriana Blanco Marquizo auf.

Deshalb ist der Tabak neben dem Alkohol das einzige Genussmittel, das die SDGs ausdrücklich nennen. Das Ziel 3 ruft zu einer verstärkten Regulierung dieses Industriezweigs auf sowie zur Umsetzung der Kontrollmechanismen, die das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs vorsieht.

Doch die Tabakindustrie – also die fünf multinationalen Unternehmen Philip Morris International (PMI), British American Tobacco (BAT), Japan Tobacco International (JTI), Imperial Brands und China National Tobacco Corporation, die 80 Prozent des Weltmarkts beherrschen – sieht das nicht so. «Die Umsetzung der SDGs beruht auf gelebten Partnerschaften», so Adriana Blanco Marquizo. «Und die Tabakindustrie hat diese Gelegenheit genutzt, um sich als Teil der Lösung statt des Problems darzustellen und einen Platz am Verhandlungstisch einzufordern. Dies in der Hoffnung, sich einen Vorteil zu verschaffen.»

Um diese Bemühungen zu unterstreichen, bezieht sich die Tabakindustrie in ihren «Corporate Social Responsability»-Berichten neu auf die SDGs. So hat JTI mit Sitz in Genf beispielsweise unter Berufung auf die SDGs Wasserprojekte in Bangladesch initiiert. 

Und PMI mit Sitz in Lausanne engagiert sich für die Ernährungssicherheit in Mosambik, in Malawi und in Tansania – demonstrativ zugunsten der SDGs. Dasselbe Unternehmen hatte vor der Verabschiedung der SDGs in mehreren Ländern Druck auf die Aussenministerien ausgeübt, damit die Tabakprävention nicht in die 17 Ziele aufgenommen wird.

Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass die Tabakindustrie solche Ablenkungsmanöver ausführt: «Das begann schon mit der Einführung der Zigarettenfilter, die als Lösung angepriesen wurden, damit die schädlichen Substanzen beim Rauchen nicht in die Lungen gelangen. Dann kamen die ‹milden› Zigaretten, um die ausstiegswilligen Raucher vom Aufhören abzuhalten», erinnert sich Adriana Blanco Marquizo.

In jüngerer Vergangenheit nahm die Tabakindustrie Kontakt auf mit Dachorganisationen der Tabakbauern und der Kleingeschäfte mit Zigaretten. Über verdeckte Finanzierungen sollen sie zu Trojanischen Pferden werden, die bei Konsultationen durch den Staat die Interessen der Tabakindustrie vertreten. «In meinem Land, in Uruguay, hat sich der Verband des Kleinhandels aktiv gegen ein neues Gesetz gestellt, das verboten hätte, in den Läden tabakhaltige Produkte anzubieten. Er begründete dies mit dem negativen Einfluss auf ihren Umsatz», so Adriana Blanco Marquizo weiter. «Dabei trifft das gar nicht zu, denn die Zigaretten machen nur einen winzigen Teil ihres Ertrags aus.» Diese Argumentation hatte ihnen die Tabakindustrie eingeflüstert.

Die Zigarettenhersteller haben auch eigene Strohfirmen gegründet, um die öffentliche Debatte und die Tabakprävention zu beeinflussen. So gibt die von BAT finanzierte ECLT-Stiftung (Eliminating Child Labour in Tobacco Growing) in Genf vor, gegen Kinderarbeit auf den Tabakplantagen zu kämpfen. Doch sieht sie keinerlei zwingende Massnahmen vor, um die eingegangenen Verpflichtungen auch durchzusetzen. Via des von der UNO initiierten Globalen Pakts (Global Compact), der die Unternehmen zu sozialerem Handeln anregen will, hat sie sich auch in den Entscheidungsprozess der UNO eingemischt.

Tracit, eine weitere Mitgliedorganisation des Global Compact, die von der Tabakindustrie finanziert wird, gibt vor, gegen den Zigaretten-Schwarzmarkt zu kämpfen. In Tat und Wahrheit konzentriert sie sich darauf, Gesetze zu verhindern, die diesen Handel, namentlich in Lateinamerika, eindämmen könnten.

Auch Codentify, das Tracing-System für Zigaretten, das von PMI entwickelt wurde und den anderen Marken gratis zur Verfügung gestellt wird, scheint an schweren Mängeln zu leiden, sodass es kaum zur Bekämpfung des Zigarettenschmuggels taugt. Damit liegt die Annahme nahe, dass es sich lediglich um einen Versuch handelt, die Bekämpfung des Zigarettenhandels zu sabotieren.

In den letzten Jahren hat die Tabakindustrie ihre Taktik geringfügig geändert und legt heute den Akzent auf die neu erhältlichen nikotinhaltigen Produkte wie E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen. «Der Diskurs der Tabakindustrie hat sich gewandelt: Sie versucht, mithilfe einer neuen Produktgeneration, die sie als weniger schädlich bezeichnet, das Image einer innovativen Branche zu gewinnen. Dabei wurde das Risikoprofil dieser Produkte noch gar nicht mit Sicherheit etabliert», merkt Adriana Blanco Marquizo an. «Zugleich verspricht sie, dass sie die herkömmlichen Zigaretten schrittweise abschaffen will, nennt dafür aber keinen Termin.»

Für diese neue Strategie ganz vorne kämpft die Stiftung für eine rauchfreie Welt (Foundation for a smoke-free world), die PMI 2017 gegründet hat und vollumfänglich finanziert. Sie behauptet, die Forschung im Bereich der neuen nikotinhaltigen Produkte zu unterstützen. «Seit einigen Jahren versucht diese Stiftung, sich in die weltweite Debatte über die Tabakprävention einzumischen und gibt sich dazu als neutralen Player aus», resümiert Adriana Blanco Marquizo.