Die neue "grüne" Kampagne von Swiss Cigarette: zwischen "Greenwashing" und gross angelegter Datensammlung

Der Dachverband Swiss Cigarette[i] nutzt ein scheinbar feministisches Motiv, "Lara Green" - eine wütende Frau mit roten Haaren, aber grünem Namen - um der Öffentlichkeit im Rahmen einer "Greenwashing"-Kampagne vorzugaukeln, sich um die giftigen Stummel zu kümmern, die in ihren Fabriken produziert werden.[ii] Die Lösung von Swiss Cigarette: nicht die Einstellung der Produktion ihrer tödlichen Produkte und unbrauchbaren Filter, sondern die Lancierung einer digitalen Kampagne sowie die Verteilung von Taschenaschenbechern und die Sammlung von Raucherdaten. Die Botschaft ist klar: Rauchen Sie trotzdem weiter.

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Bild: Screenshot der Kampagnenseite Lara Green, 26.05.2021

Die Lara-Green-Kampagne

Es ist der 26. Mai 2021 (fünf Tage vor dem Welttag ohne Tabak der WHO, was kein Zufall sein kann), an dem Swiss Cigarette mit einer grafisch ansprechend gestalteten Website diese Kampagne lanciert, die sich vor allem an ein junges Publikum richtet. Ein (noch leerer) You-Tube-Kanal lässt das Auftauchen von bedenklichen Videos vermuten. Kernstück bildet jedoch die kostenlose Verteilung von 20'000 Aschenbechern.

Auf der Website von Lara Green heisst es: "Die Mitglieder von Swiss Cigarette sind sich der Littering-Problematik durch Zigarettenstummel bewusst. Der Verband engagiert sich deshalb seit Jahren gegen Littering. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit Umweltverbänden, die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen und die Verteilung von 100 Prozent Swiss made Taschenaschenbechern aus rezykliertem Weissblech. Um das Engagement für eine saubere Umwelt weiter zu verstärken, lanciert der Verband die Kampagne Lara Green." Das Problem ist nicht nur das Littering, sondern die Umweltkatastrophe, die die Tabakindustrie als Ganzes bildet.[iii] Es freut uns zu hören, dass Swiss Cigarette sich "seit Jahren" im Kampf gegen Littering engagiert, obwohl wir nicht wirklich wissen, was sie in der Vergangenheit getan haben. Was die angebliche Zusammenarbeit "mit Umweltverbänden" angeht, so sagt Swiss Cigarette aber nicht klar, von welchen Organisationen hier die Rede ist. Auf den Seiten von WWF und Pro Natura gibt es keine Informationen über solche Kooperationen. Oder existieren sie gar nicht?

Lara Green gegen Stop2drop

Im Frühjahr 2021 sammelte die Stop2drop-Kampagne in zwei Wochen fast eine Million weggeworfene Zigarettenstummel. Dies gelang mit Hilfe von Schulkindern und Schulklassen, aber auch mit Erwachsenen und Umweltorganisationen. Die Kampagne erhielt viel Aufmerksamkeit in den Medien und sensibilisierte junge Menschen für die Gefahren des Wegwerfens von Zigarettenstummeln für die Umwelt, schliesslich verschmutzt ein einziger Zigarettenstummel mindestens 41 Liter Wasser.

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Bild: Resultat der Kampagne Stop2drop

Kann es Zufall sein, dass Swiss Cigarettes im Mai 2021 plötzlich eine vermeintliche Umweltkampagne lanciert? Lara Green sagt weder, dass wir mit dem Rauchen aufhören sollten, noch dass Zigaretten in ihrem gesamten Produktionszyklus, vom Anbau des Tabaks bis zu seiner Verarbeitung, die schlimmste Umweltkatastrophe überhaupt darstellen. In vielen Ländern roden die Landwirte landwirtschaftlich wenig genutzte Waldflächen, um Tabak anzubauen, oft durch Abbrennen. Darüber hinaus erfordert die Monokultur den Einsatz verschiedener Pestizide zur Aufrechterhaltung der Produktion.[iv] Wurde Lara Green als verdeckte Antwort auf den Erfolg von Stop2drop konzipiert? Fürchtet sich die Industrie vor der Umweltbewegung und versucht, gerade im Zusammenhang mit den politischen Debatten um das neue Tabakproduktegesetz, so zu tun, als ob ihr die Umwelt am Herzen läge? Die angebotenen Aschenbecher sind nicht einmal ein (giftiger) Tropfen im Ozean der Zigarettenstummel.

Kostenlose Aschenbecher und Sammlung privater Daten

Lara Green will ihre brillante Lösung verbreiten: 20.000 kostenlose Aschenbecher. Aber sind sie wirklich kostenlos?

Um einen der vorgeschlagenen Aschenbecher zu bestellen, müssen Sie ein Online-Formular ausfüllen und Ihren Namen, Ihre Adresse und Ihre E-Mail-Adresse angeben. Auf diese Weise baut Swiss Cigarette eine Adressdatei von 20.000 Schweizer Rauchern und Raucherinnen auf. Was macht Swiss Cigarette mit dieser Datenbank? In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (die für die Bestellung des Aschenbechers akzeptiert werden müssen) wird nicht darauf hingewiesen, dass die erhobenen Daten für keine anderen Zwecke verwendet werden. Wir müssen also davon ausgehen, dass diese Adressdatei zu Marketingzwecken verwendet oder sogar an Dritte verkauft wird.

Man beachte auch die mangelnde Transparenz: Welche Kommunikationsagentur ist für diese Kampagne verantwortlich? Wie viel kostet diese Propagandaaktion von Swiss Cigarette?

Der Filter: der wohl grösste Schwindel in der Geschichte der Zivilisation

Wie wir alle wissen, sind Zigaretten der tödlichste Gegenstand in der Geschichte der Zivilisation, doch es ist der Filter, der den Titel des grössten Schwindlers erhält. [v]  Heute sterben in der Schweiz jedes Jahr 9.500 Menschen an den Folgen des Rauchens und weltweit sind es 8 Millionen Todesfälle pro Jahr, und dies, obwohl die meisten Zigaretten heute einen Filter haben. Die Branche ist sich der Nutzlosigkeit der Filter völlig bewusst. [vi]

Moderne Zelluloseacetatfilter wurden ab den 1950er Jahren industriell eingeführt, um der aufkommenden öffentlichen Sorge vor Lungenkrebs durch Rauchen entgegenzuwirken. Filter und ähnliche technische Innovationen wurden vom Marketing der Industrie schon immer als Mittel zur Reduzierung der mit Zigaretten verbundenen Risiken genutzt. Filter verhindern zwar, dass kleine Tabakstücke und unangenehme Geschmäcker in den Mund gelangen, aber die Forschung hat hinreichend bewiesen, dass sie nichts zur Verringerung der Gesundheitsrisiken beitragen, da Rauchende einfach mehr rauchen oder stärker inhalieren. Trotzdem verwendet und bewirbt die Tabakindustrie weiterhin Zigarettenfilter als Mittel zur Risikoreduzierung, während sie gleichzeitig die Umwelt zerstört.[vii]

Eine wenig bekannte Eigenschaft von Filtern ist, dass sie aus Plastik hergestellt sind. Der Zigarettenfilter, der oft wie Baumwolle aussieht, wird aus Celluloseacetat hergestellt. Ein Kunststoff, der durch chemische Modifikation von Cellulose (einem natürlichen Polymer) gewonnen wird. Die Celluloseacetatfasern werden mit Titandioxid (giftig) behandelt und dann mit Triacetin (einem reizenden Weichmacher) zum eigentlichen Filter fest verdichtet. [viii]

Schätzungsweise werden weltweit täglich 18 Milliarden Zigaretten erworben, was einer unglaublichen Summe von 6,5 Billionen Zigaretten pro Jahr entspricht. Davon landen nach Schätzungen zwei Drittel in der Umwelt.[ix] Doch Filter oder Zigarettenstummel aus Kunststoff hinterlassen eine Menge giftiger Substanzen, die neben der beiläufigen Belastung der rauchenden Person auch das Wasser auf schwerwiegende Weise verschmutzen. Zigarettenstummel sind die Hauptquelle für Plastikverunreinigungen in der Natur und in den Meeren. [x]

Die einzig wahre Lösung : Filter verbieten

Das wachsende Bewusstsein für die Zerstörung von Ökosystemen durch die Entsorgung grosser Mengen von Plastik führt zu einer zunehmenden öffentlichen Empörung und zwingt die Regierungen zum Handeln. Die Europäische Union zum Beispiel wird ab 2021 viele Einwegplastikprodukte wie Besteck, Teller und Strohhalme verbieten. Diese Massnahmen betreffen jedoch nicht eine der weltweit grössten Quellen für Plastikmüll, die zwar in aller Munde ist, aber von den wenigsten wahrgenommen wird: die Zigarettenkippe. [xi]

Die einzige Lösung, um die globale Verschmutzung durch giftige Zigarettenstummel zu reduzieren, ist ein totales Verbot der für die Gesundheit der Rauchenden völlig nutzlosen Filter. Kampagnen im Stil von Lara Green sind wirkungslos, abgesehen davon, dass sie den Leuten weismachen wollen, dass sich die Tabakindustrie um etwas anderes kümmert als um ihre Gewinne.

Luciano Ruggia

Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz

Geschäftsführer

 031 599 10 21

luciano.ruggia@at-schweiz.ch

[i] Der Verein Swiss Cigarette besteht aus den Mitgliedern British American Tobacco Switzerland SA (Boncourt), Japan Tobacco International AG (Dagmersellen) und Philip Morris S.A. (Lausanne).
[ii] Mehr über Greenwashing und dessen Benutzung durch die Industrie: https://tobaccotactics.org/wiki/greenwashing/
[iii] Tobacco and its environmental impact: an overview (2017). Geneva: World Health Organization.; The American Cancer Society (2018): Tobacco Atlas. 6th. Atlanta, GA: MCGRAW-HILL EDUCATION.; Tobacco and the Environment: https://tobaccotactics.org/wiki/tobacco-and-the-environment/
[iv] The American Cancer Society (2018): Tobacco Atlas. 6th. Atlanta, GA: MCGRAW-HILL EDUCATION.
[v] Proctor, Robert (2011): Golden holocaust. Origins of the cigarette catastrophe and the case for abolition /  Robert N. Proctor. Berkeley: University of California Press.
[vi] Harris, Bradford (2011): The intractable cigarette ‘filter problem’. In Tobacco control 20 (Suppl 1), i10. DOI: 10.1136/tc.2010.040113.
[vii] Evans-Reeves, Karen; Lauber, Kathrin; Hiscock, Rosemary (2021): The ‘filter fraud’ persists: the tobacco industry is still using filters to suggest lower health risks while destroying the environment. In Tob Control, tobaccocontrol-2020-056245. DOI: 10.1136/tobaccocontrol-2020-056245.
[vii] https://www.megot.com/composition-dun-filtre-de-cigarette/
[ix] Tik, Root (2019): Cigarette butts are toxic plastic pollution. Should they be banned? Trillions of cigarette butts are thrown into the environment every year, where they leach nicotine and heavy metals before turning into microplastic pollution. In National Geographic.
[x] Venugopal, P. Dilip; Hanna, Shannon K.; Gagliano, Gregory G.; Chang, Hoshing W. (2021): No Butts on the Beach: Aquatic Toxicity of Cigarette Butt Leachate Chemicals. In tob regul sci 7 (1), pp. 17–30. DOI: 10.18001/TRS.7.1.2.
[xi] van Schalkwyk, May C. I.; Novotny, Thomas E.; McKee, Martin (2019): No more butts. In BMJ, l5890. DOI: 10.1136/bmj.l5890.

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