Neuseeland an vorderster Front der Tabakbekämpfung: Smokefree Aotearoa

Neuseeland hat im April 2021 einen neuen Aktionsplan veröffentlicht, um das Rauchen und die damit verbundenen Gesundheitsschäden bis 2025 zu minimieren oder zu beenden. [i] Das Ziel "smokefree 2025" bedeutet, dass das Land die Prävalenz des Rauchens in der gesamten neuseeländischen Bevölkerung bis 2025 auf unter 5 % senken will. Jedes Jahr sterben in Neuseeland immer noch 4.500 Menschen an den Folgen des Rauchens.

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Ein ehrgeiziger Aktionsplan

Der Aktionsplan besteht aus einem Paket von Massnahmen zur Bekämpfung des Zigarettenkonsums, darunter

- Stärkung des Systems zur Tabakkontrolle: Dies beinhaltet auch eine verstärkte Unterstützung von Gemeinschaftsmassnahmen sowie mehr Forschung und Überwachung

- Reduzierung der Verfügbarkeit von Tabakprodukten: Einführung eines Lizenzsystems für den Verkauf von Tabakprodukten; Reduzierung der Anzahl der Verkaufsstellen

- Reduzierung des Suchtpotenzials und der Attraktivität dieser Produkte: Senkung des Nikotingehalts in diesen Produkten auf sehr niedrige Werte; Verbot von Filtern für Zigaretten; Verbot von Innovationen, die diese Produkte attraktiver machen

- Einführen eines Mindestpreises

- Verbesserung bestehender Massnahmen: Erhöhung der Investitionen in Präventionskampagnen und Unterstützung von Raucherentwöhnungsprogrammen, insbesondere für vorrangige Bevölkerungsgruppen

Eine wichtige Massnahme des neuen Plans ist die Idee, den Kauf von Tabakprodukten für alle zu verbieten, die 2004 oder später geboren wurden. Menschen, die vor diesem Datum geboren wurden, könnten immer noch Tabakprodukte kaufen, aber das Verbot würde sich mit dem Alter verlängern, wodurch eine vollkommen tabakfreie Generation geschaffen würde.

Des Weiteren betont der Aktionsplan die Wichtigkeit, sich auf die Maori und die pazifische Bevölkerung zu konzentrieren, die erhebliche soziale Ungleichheiten erfahren und immer noch eine sehr hohe Prävalenz des Rauchens aufweisen. Die Prävalenz des Rauchens unter den Maori ist durch bereits eingeleitete Massnahmen deutlich gesunken, von 39,2 % im Jahr 2006/07 auf 28,7 % im Jahr 2019/20, aber sie ist immer noch viel zu hoch.

Die Ankündigung dieses Aktionsplans hat sowohl international als auch in der Schweiz viel Interesse und Kommentare geweckt. [ii] Die Medien haben auch darauf hingewiesen, dass der Plan die Unterstützung von mindestens 70% der Bevölkerung hat. [iii] Besonders auffällig war der satirische Sketch in der Sendung 120 Sekunden von Radio de la Suisse-Romande, in dem ein Vertreter der (erfundenen) Lobby der "Swiss Tobacco Lovers" interviewt wurde. Jenseits des satirischen Aspekts wird das Thema im Beitrag mit grosser Intelligenz behandelt. [iv]

Während einige Medien ausgewogene Analysen des neuseeländischen Plans lieferten, hörten wir in anderen Medien nur erschrockene und alarmierende Expertenstimmen, die sich gegen die Auswirkungen eines prohibitionistischen und freiheitsmörderischen Kreuzzuges aussprachen, ohne die Gesamtheit der geplanten Massnahmen in irgendeiner Weise zu relativieren. Bevor man mit der Vogelscheuche des Prohibitionismus wedelt, sollte man bedenken, dass sich Neuseeland in einer völlig anderen Situation befindet als die Schweiz.

Andere Massnahmen hätten viel mehr Aufmerksamkeit verdient, z. B. die Reduzierung und Festlegung von Nikotinhöchstwerten in Produkten, einschliesslich traditioneller Zigaretten. Eine Verringerung des Suchtpotenzials der Produkte durch die Reduzierung des Nikotingehalts hätte einen grossen Effekt, insbesondere auf die Zahl der Jugendlichen, die mit dem Rauchen beginnen. [v] Es gibt reichlich Beweise für die Wirksamkeit einer solchen Massnahme. [vi]

Eine Reihe von Massnahmen

Neuseeland hat, ganz ähnlich wie das benachbarte Australien, seit einigen Jahren schrittweise eine Reihe von Massnahmen gegen das Rauchen eingeführt. Erst durch den Einsatz mehrerer Massnahmen ist es möglich, Ergebnisse zu erzielen.

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Der Preis für eine Schachtel Zigaretten liegt in Neuseeland mittlerweile bei über 24 Franken, während wir in der Schweiz problemlos Schachteln für 5,50 oder 6 Franken finden können. Seit 2010 ist der Preis für eine Packung in Neuseeland jedes Jahr um 10 % gestiegen. In der Schweiz war die letzte Steuererhöhung im Jahr 2013 und betrug nur 10 Rappen - und seitdem nichts mehr!

Seit Juni 2018 hat Neuseeland zudem eine weitere Massnahme mit nachgewiesener Wirkung eingeführt: die neutrale Zigarettenschachtel (Plain Packaging). Australien hatte diesbezüglich 2012 den Anfang gemacht, gefolgt von Frankreich und Grossbritannien im Jahr 2017. Neuseeland war das vierte Land der Welt, das diese Massnahme einführte, gefolgt von vielen anderen Ländern. [vii]

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Quelle: WHO

Neuseeland war eines der ersten Länder, das damit begann, das Rauchen in Innenräumen einzuschränken. Im Jahr 1990 wurde das Rauchen an Arbeitsplätzen in Innenräumen verboten. In der Schweiz erlaubte die Bundesverwaltung, darunter das Bundesamt für Gesundheit (BAG), noch 2007 das Rauchen in Büros. Seit 2004 ist in Neuseeland das Rauchen in allen geschlossenen öffentlichen Räumen, einschliesslich Bars und Restaurants, verboten.[viii]

Senkung der Prävalenz

Im Jahr 1991 lag die Prävalenzrate in der neuseeländischen Bevölkerung bei 25 %. Danach fiel sie auf 17 % im Jahr 2006/07 und betrug im Jahr 2019/20 noch 10,1 %. In der Schweiz träumen wir von solchen Prävalenzwerten. Heute sind wir immer noch bei 27 % allgemeiner Raucher-Prävalenz in der erwachsenen Bevölkerung, also noch schlechter als Neuseeland vor 30 Jahren. In der Schweiz hat sich diese Prävalenz in den letzten 10 Jahren übrigens nicht verändert, trotz der Markteinführung sogenannter elektronischer Zigaretten und anderer Produkte, mit denen uns die Industrie ihre Nebelwand verkaufen will (Der neue Slogan von Philipp Morris lautet "Delivering a smoke-free future"). Bei den Schweizer Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren ist die Prävalenz mit 31,2 % sogar noch höher.

Abgesehen von der sehr effektiven Gesundheitspolitik, die Neuseeland verfolgt, gibt es noch einen grossen Unterschied: In Neuseeland habt keiner der multinationalen Tabakkonzerne seinen Hauptsitz. In der Schweiz hingegen profitieren die drei grössten Konzerne von den besten steuerlichen Bedingungen, die man sich vorstellen kann. Obwohl der Druck der Tabakindustrie-Lobby auch in Neuseeland stark war, war er vielleicht nicht so stark wie in der Schweiz. In dem zur Konsultation gestellten Aktionsplan wird eindeutig darauf hingewiesen, dass Neuseeland das WHO-Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle umsetzt. Dazu gehören insbesondere die Leitlinien zur Umsetzung von Artikel 5.3 zum Schutz der öffentlichen Gesundheitspolitik (zur Eindämmung des Tabakkonsums) gegenüber den kommerziellen und anderen Interessen der Tabakindustrie. [ix] Die Schweiz, die die Konvention zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat, erwähnt den Artikel 5.3 bei Beratungen über Fragen der öffentlichen Gesundheit im Zusammenhang mit dem Tabakkonsum leider nie.

Was soll die Schweiz tun?

Hierzulande geht es heute weder darum, die Massnahmen des in Neuseeland in der Konsultation befindlichen Aktionsplans zu diskutieren, noch geht es darum, gegen einen Prohibitionismus zu protestieren, der Lichtjahre von der Schweizer Situation entfernt ist. Wenn Neuseeland solche Massnahmen ergreifen würde, wäre es ein interessanter Laborversuch, den wir weiter beobachten und von dem wir lernen sollten.

Während sich das Tabakproduktegesetz langsam durch das Parlament schleppt, ist es in der Schweiz dringend notwendig, die Massnahmen zu ergreifen, die sich in Neuseeland wie auch in anderen Ländern bereits als wirksam erwiesen haben: Verbot aller Formen von Werbung, Einführung von Plain Packaging, effektives Verbot des Zugangs zu allen nikotinhaltigen Produkten für Personen unter 18 Jahren, massive Erhöhung der Preise durch effektive Besteuerung, effektives Verbot des Verkaufs an Minderjährige, welche heute vielerorts E-Zigaretten wie Puff Bars zu niedrigen Preisen kaufen können.

Beginnen wir damit, endlich eine fortschrittliche und mutige Politik zu betreiben, und lassen wir die Fantasien des Prohibitionismus beiseite, denn das zu behaupten, spielt schlussendlich nur der Industrie und der Tabaklobby in die Hände.

Luciano Ruggia

Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz

Geschäftsführer

 031 599 10 21

luciano.ruggia@at-schweiz.ch

[i] Ministry of Health (2021): Proposals for a Smokefree Aotearoa 2025 Action Plan. Discussion document. Wellington (NZ). Abrufbar unter: https://www.health.govt.nz/system/files/documents/publications/proposals_for_a_smokefree_aotearoa_2025_action_plan-final.pdf.
[ii] The Guardian, 16.04.2021, An end to cigarettes? New Zealand aims to create smoke-free generation, https://amp.theguardian.com/world/2021/apr/16/new-zealand-aims-to-create-smoke-free-generation-cigarettes
[iii] Tribune de Genève, 27.04.2021, Devenir un pays complètement libéré du tabac? Les Néo-Zélandais approuvent, https://www.tdg.ch/un-pays-sans-tabac-les-neo-zelandais-approuvent-782334785041
[iv] Sendung «120 secondes», RSR, 26.04.2021,

[v] Apelberg, Benjamin J.; Feirman, Shari P.; Salazar, Esther; Corey, Catherine G.; Ambrose, Bridget K.; Paredes, Antonio et al. (2018): Potential Public Health Effects of Reducing Nicotine Levels in Cigarettes in the United States. In The New England journal of medicine 378 (18), pp. 1725–1733. DOI: 10.1056/NEJMsr1714617.
[vi] Edwards, Richard; Hoek, Janet; Wilson, Nick; Bullen, Chris (2021): Reducing nicotine in smoked tobacco products: A pivotal feature of the proposals for achieving Smokefree Aotearoa 2025. University of Otago. Abrufbar unter: https://blogs.otago.ac.nz/pubhealthexpert/reducing-nicotine-in-smoked-tobacco-products-a-pivotal-feature-of-the-proposals-for-achieving-smokefree-aotearoa-2025/.
[vii] https://en.wikipedia.org/wiki/Plain_tobacco_packaging
[viii] Laugesen, Murray (2004): Smoke-free Policies in New Zealand. WHO (WHO/NHM/TFI/05.9). Abrufbar unter: https://www.who.int/tobacco/training/success_stories/TfiR3hrNZf.pdf.
[ix] https://www.who.int/fctc/guidelines/adopted/article_5_3/fr/

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